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Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 19.05.2005
Aktenzeichen: 3 U 202/04
Rechtsgebiete: AMG, HWG, Richtlinie 2001/83/EG, UWG


Vorschriften:

AMG § 73 Abs. 3
HWG § 8
Richtlinie 2001/83/EG Art. 86 Abs. 2 Spiegelstrich 3
UWG § 4 Nr. 11
1. Das generelle Werbeverbot des § 8 HWG, bestimmte Arzneimittel im Wege der Einzeleinfuhr nach § 73 Abs. 3 AMG zu beziehen, gilt auch gegenüber Apotheken. Wird diesen eine Produktliste mit derartigen Arzneimitteln übersandt, so liegt darin eine unzulässige produktbezogene, aktive Absatzwerbung vor. Es geht insoweit nicht etwa um einen Schriftwechsel auf eine konkrete Anfrage zu einem bestimmten Arzneimittel. Andernfalls würde der Ausnahmecharakter des § 73 Abs. 3 AMG praktisch aufgegeben werden.

2. Art. 86 Abs. 2 Spiegelstrich 3 Richtlinie 2001/83/EG steht dem nicht entgegen, ebenso nicht der verfassungsrechtliche Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit.


HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 202/04

In dem Rechtsstreit

Verkündet am: 19. Mai 2005

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Zivilsenat, durch die Richter Gärtner, Spannuth, Dr. Löffler nach der am 17. März 2005 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Antragstellerin wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 12, vom 12. Oktober 2004 abgeändert, soweit nicht die Antragstellerin ihren Verfügungsantrag in der Berufungsverhandlung nicht weiter verfolgt hat.

Die Beschlussverfügung des Landgerichts vom 9. August 2004 wird mit der Maßgabe erneut erlassen, dass der Antragsgegnerin bei Vermeidung der vom Landgericht angedrohten Ordnungsmittel verboten wird, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für den Einzelimport von Arzneimitteln nach § 73 Abs. 3 AMG zu werben, wenn dies in allgemeinen Produktlisten erfolgt, die die Angabe des Arzneimittels, der Packungsgröße und des Preises enthalten, wie dies in der als Anlage AS 1 in Kopie vorgelegten Allgemeinen Produktliste der Antragsgegnerin geschehen ist, und zwar durch das Versenden von Preislisten an Apotheker.

Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen die Antragstellerin 1/5 und die Antragsgegnerin 4/5.

und beschlossen:

Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Berufungsverfahren zunächst auf 150.000 € festgesetzt, er ermäßigt sich nach der nur noch eingeschränkten Antragsstellung in der Berufungsverhandlung auf 120.000 €.

Gründe:

A.

Die Antragstellerin ist eine Münchner Apotheke und bietet auch Arzneimittel im Einzelimport an. Die Antragsgegnerin vertreibt ebenfalls Arzneimittel im Einzelimport und steht mit der Antragstellerin im Wettbewerb.

Die Antragsgegnerin gibt eine "Allgemeine Produktliste der Firma B-xxxx GmbH" (Anlage ASt AS 1 - im Folgenden: PRODUKTLISTE) an Apotheken ab. Die Antragstellerin beanstandet das als eine unzulässige Werbung für den Einzelimport von Arzneimitteln nach § 73 Abs. 3 AMG.

Im vorliegenden Verfügungsverfahren wird die Antragsgegnerin deswegen auf Unterlassung in Anspruch genommen.

Die beanstandete PRODUKTLISTE (Anlage ASt AS 1) ist in drei Spalten nach "Produktbezeichnung", "Einheit" und "Preis" gegliedert, unter der Rubrik: "Produktbezeichnung" sind die jeweiligen Arzneimittelbezeichnungen und unter "Einheit" die betreffenden Darrreichungsformen und Wirkstoffstärken aufgeführt (z. B. auf Seite 1 für "ABILIFY" unter "Einheit": "30 Tab. - 20 mg). Die Antragstellerin verweist darauf, die PRODUKTLISTE enthalte fast nur Arzneimittel, die in Deutschland nicht zugelassen seien und zulässigerweise nur im Wege des Einzelimports gemäß § 73 Abs. 3 AMG bezogen werden könnten. Teilweise sei aus der PRODUKTLISTE selbst ersichtlich, aus welchen Ländern der Import erfolgen solle (z. B. ASt AS 1, Seite 1: "ALKERAN - Italien"), aber auch bei den Arzneimitteln, die in der PRODUKTLISTE ohne Länderangabe geführt sind, handele es sich um nicht in Deutschland zugelassene Arzneimittel (so z. B. dort auf Seite 2 alle Arzneimittel, ausgenommen AVODART; vgl. dazu eidesstattliche Versicherung S.-xxx: Anlage ASt AS 5).

Im vorliegenden Verfügungsverfahren hat das Landgericht mit seiner Beschlussverfügung vom 9. August 2004 der Antragsgegnerin unter Androhung von bestimmten Ordnungsmitteln verboten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für den Einzelimport von Arzneimitteln nach § 73 Abs. 3 AMG zu werben, insbesondere wenn dies in allgemeinen Produktlisten erfolgt, die die Angabe des Arzneimittels, der Packungsgröße und des Preises enthalten, wie dies in der als Anlage AS 1 in Kopie vorgelegten Allgemeinen Produktliste der Antragsgegnerin geschehen ist.

Durch Urteil vom 12. Oktober 2004 hat das Landgericht seine Beschlussverfügung aufgehoben und den auf ihren Erlass gerichteten Verfügungsantrag zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Antragstellerin mit dem Antrag (ursprüngliche Antragsfassung: Bl. 98-99), unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Beschlussverfügung mit der Maßgabe erneut zu erlassen, dass der Verbotsausspruch wie folgt lautet: im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für den Einzelimport von Arzneimitteln nach § 73 Abs. 3 AMG zu werben, wenn dies in allgemeinen Produktlisten erfolgt, die die Angabe des Arzneimittels, der Packungsgröße und des Preises enthalten, wie dies in der als Anlage AS 1 in Kopie vorgelegten Allgemeinen Produktliste der Antragsgegnerin geschehen ist, und zwar durch das Versenden von Preislisten an Apotheker.

Die Antragsgegnerin bittet um Zurückweisung der Berufung.

In einem anderen vorangegangenen einstweiligen Verfügungsverfahren gleichen Rubrums hatte die Antragstellerin am 23. Juli 2003 gegen die Antragsgegnerin eine Beschlussverfügung (Landgericht Hamburg 312 O 562/03) erwirkt, mit der der Antragsgegnerin unter Androhung von bestimmten Ordnungsmitteln verboten worden war, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für den Einzelimport von Arzneimitteln nach § 73 Abs. 3 AMG Werbung zu betreiben, insbesondere wenn dies wie in Form der Anlage AS 1 geschieht (beigefügt war dort in Kopie als Anlage AS 1 das Telefax "B-xxx Pharma Import GmbH - Preislistenergänzung"; vgl. insgesamt vorliegend Anlage ASt AS 3).

In jenem Widerspruchsverfahren (Landgericht Hamburg 312 O 562/03) hatte sich die Antragsgegnerin am 23. September 2003 gegenüber der Antragstellerin strafbewehrt verpflichtet, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für den Einzelimport von Arzneimitteln nach § 73 Abs. 3 AMG Werbung zu betreiben, insbesondere wenn dies wie in Form des als Anlage diesem Protokoll beigefügten Telefaxschreibens geschieht (beigefügt war in Kopie als Anlage A 1 das Telefax "B-xxx Pharma Import GmbH - Preislistenergänzung"; vgl. insgesamt vorliegend Anlage ASt AS 4).

Jenes Verfügungsfahren (Landgericht Hamburg 312 O 562/03) hatten die Parteien daraufhin übereinstimmend für erledigt erklärt und mit einem Kostenvergleich beendet (vgl. vorliegend Anlage ASt AS 4).

B.

Die zulässige Berufung der Antragstellerin hat in der Sache Erfolg. Demgemäß ist die einstweilige Verfügung, nachdem der Verfügungsantrag im Übrigen in der Berufungsverhandlung nicht weiter verfolgt worden ist, mit der aus dem Ausspruch des Senatsurteils ersichtlichen Maßgabe erneut zu erlassen.

I.

Der Gegenstand des in der Berufungsverhandlung gestellten Unterlassungsantrages ist das Werben für den Einzelimport von Arzneimitteln (§ 73 Abs. 3 AMG), und zwar durch das Versenden von Preislisten an Apotheker, und zwar in allgemeinen Produktlisten, die die Angabe des Arzneimittels, der Packungsgröße und des Preises enthalten, wie dies in der "Allgemeinen Produktliste" der Antragsgegnerin gemäß Anlage ASt AS 1 geschehen ist.

1.) Es geht demgemäß in der Berufungsinstanz nach der Beschränkung des Unterlassungsantrages auf die konkrete Verletzungsform nur noch um das Versenden der PRODUKTLISTE gemäß Anlage ASt AS 1 an Apotheker in der oben beschriebenen Form. Hierbei ist die Wendung im Antrag: "Werben für den Einzelimport ..." lediglich ein Begründungselement für das begehrte Verbot, ohne dass damit etwa zusätzliche Verbotsmerkmale allgemein beschrieben wären. Das Verbot setzt auch nicht etwa voraus, dass das Versenden der PRODUKTLISTE von einem zusätzlichen Hinweis auf die Einzelimport-Bezugsmöglichkeit begleitet wäre.

2.) Das streitgegenständliche Verbot des Versendens der PRODUKTLISTE gemäß Anlage ASt AS 1 bezieht sich nur auf solche dort aufgelistete Arzneimittel, die weder eine deutsche noch eine europäische Zulassung haben, aber jeweils aus einem Land - sei es aus einem EU-Mitgliedstaat, sei es aus einem Nicht-EU-Land - importiert werden, in dem das betreffende Arzneimittel aber arzneimittelrechtlich zugelassen ist.

Es geht streitgegenständlich nicht etwa um Arzneimittel, die im Exportland nicht zugelassen sind.

3.) Nach dem Streitgegenstand geht es schließlich um die Versendung der Liste "an Apotheker", d. h. im Falle eines Imports aus einem Nicht-EU-Land nur an solche Personen, die die in § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Ziffer 2 AMG genannte Erlaubnis nach § 72 AMG besitzen.

4.) Nicht Streitgegenstand sind das Verwenden von speziell anpreisenden Angaben zu Arzneimitteln oder sonstige werbliche Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Versand der PRODUKTLISTE.

II.

Der in der Berufungsverhandlung nur noch weiter verfolgte Unterlassungsantrag ist nach Auffassung des Senats begründet (§§ 3, 4 Nr. 11, § 8 UWG, § 8 HWG).

1.) Gemäß § 8 HWG ist die Werbung unzulässig, bestimmte Arzneimittel im Wege der Einzeleinfuhr nach § 73 Abs. 3 AMG zu beziehen.

Diese Vorschrift enthält, wie bereits das Landgericht im Ausgangspunkt zutreffend ausgeführt hat, für Arzneimittel, die nach Maßgabe des § 73 Abs. 3 AMG importiert werden, ein generelles Werbeverbot.

(a) Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 AMG dürfen Fertigarzneimittel, die Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 oder Abs. 2 Nr. 1 AMG sind, im Geltungsbereich des AMG nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie durch die zuständige Bundesoberbehörde zugelassen sind oder wenn für sie die Kommission der Europäischen Gemeinschaften oder der Rat der Europäischen Union eine Genehmigung für das Inverkehrbringen gemäß Art. 3 Abs. 1 oder 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2309/03 des Rates vom 22. Juli 1993 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Schaffung einer Europäischen Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln (ABl. EG Nr. L 214 S. 1) erteilt hat.

Das gilt grundsätzlich auch für eingeführte Arzneimittel (§ 73 Abs. 1 AMG), denn nach § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 AMG dürfen Arzneimittel, die der Pflicht zur Zulassung unterliegen, in den Geltungsbereich des AMG nur verbracht werden, wenn sie zum Verkehr im Geltungsbereich des AMG zugelassen sind und (Nr. 1:) der Empfänger in dem Fall des Verbringens aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum - abgesehen von weiteren Alternativen - eine Apotheke betreibt und (Nr. 2:) der Empfänger in dem Fall des Verbringens aus einem Land, das nicht Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder ein anderer Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ist, eine Erlaubnis nach § 72 AMG besitzt.

(b) Das Werbeverbot des § 8 HWG bezieht sich werbegegenständlich auf sämtliche, durch den Hinweis auf § 73 Abs. 3 AMG vom oben unter lit. (a) dargestellten Verbringungsverbot (§ 73 Abs. 1 AMG) ausgenommene Import-Arzneimittel und betrifft damit die Werbung für den nach § 73 Abs. 3 AMG als solchen zulässigen Bezug von Arzneimitteln im Wege der Einzeleinfuhr.

Nach § 73 Abs. 3 Satz 1 AMG dürfen - abweichend von § 73 Abs. 1 Satz 1 AMG - Fertigarzneimittel, die nicht zum Verkehr im Geltungsbereich des AMG zugelassen sind, in den Geltungsbereich des AMG verbracht werden, wenn sie in dem Staat in Verkehr gebracht werden dürfen, aus dem sie in den Geltungsbereich des AMG verbracht werden, und von Apotheken bestellt sind.

Gemäß § 73 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AMG dürfen Apotheken solche Arzneimittel (Nr. 1) nur in geringen Mengen und auf besondere Bestellung einzelner Personen beziehen und nur im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebes abgeben sowie, soweit es sich nicht um Arzneimittel aus Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften oder anderen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum handelt, nur auf ärztliche, zahnärztliche oder tierärztliche Verschreibung beziehen; das Nähere regelt die Apothekenbetriebsordnung.

(c) Das Werbeverbot des § 8 HWG richtet sich an jeden Werbungtreibenden, gilt für die Fach- und Publikumswerbung und betrifft demgemäß auch die Antragsgegnerin mit einer Werbung gegenüber Apothekern.

2.) Wie das Landgericht im Ausgangspunkt weiter zutreffend angenommen hat, stellt das streitgegenständliche Versenden der PRODUKTLISTE gemäß Anlage ASt AS 1 an Apotheker eine produktbezogene Werbung im Sinne des HWG dar.

(a) Preislisten dieser Art sind typischerweise Absatzwerbung, die Antragsgegnerin teilt damit den potentiellen Interessenten ihre Angebote unter Preisangaben mit.

(b) Aus dem Normzweck des § 8 HWG ergibt sich für den vorliegenden Fall nichts anderes; das Versenden der PRODUKTLISTE ist als Absatzwerbung Werbung im Sinne des § 8 HWG.

Sinn und Zweck des Werbeverbots besteht darin zu verhindern, dass die in eng begrenzten Ausnahmefällen des § 73 Abs. 3 AMG zulässigen Einzeleinfuhren von Arzneimitteln durch werbliche Aktivitäten letztlich einen solchen quantitativen Umfang erreichen, dass de facto die nationalen arzneimittelrechtlichen Zulassungsvorschriften unterlaufen werden könnten (Doepner, Heilmittelwerbegesetz, 2. Auflage, § 8 HWG Rz. 47 m. w. Nw.).

Durch das streitgegenständliche Übersenden der PRODUKTLISTE gemäß Anlage ASt AS 1 werden Apotheker ungefragt über das Angebot der Antragsgegnerin allgemein informiert. Dass das der Sache nach typische Absatzwerbung und damit ein Werben im Sinne des § 8 HWG ist, liegt auf der Hand. Insbesondere muss insoweit nicht ein extensives Verständnis von Werbung bemüht werden.

Der Senat verkennt dabei nicht, dass bei einer uneingeschränkten Anwendung des § 8 HWG die Möglichkeit des gemäß § 73 Abs. 3 AMG zulässigen Einzelimports von Arzneimitteln in unverhältnismäßiger Weise erschwert werden könnte. Deswegen war schon vor der Neufassung des § 1 HWG anerkannt, dass eine reaktiv vermittelte produktspezifische Information wie etwa die Preisangabe auf konkrete Anfrage eines einzelnen Interessen, der bereits die Möglichkeit des Einzelimports kennt, dem Werbeverbot des § 8 HWG nicht unterfällt (Doepner, a. a. O., § 8 HWG Rz. 50). Nunmehr ist in § 1 Abs. 5 HWG zudem ausdrücklich bestimmt, dass das HWG keine Anwendung findet auf den Schriftwechsel und die Unterlagen, die nicht Werbezwecken dienen und die zur Beantwortung einer konkreten Anfrage zu einem bestimmten Arzneimittel erforderlich sind.

Um eine solche Fallgestaltung geht es aber nach dem Streitgegenstand gerade nicht. Das Versenden der PRODUKTLISTE kann keine produktspezifische Antwort auf eine konkrete Anfrage sein, es handelt sich gerade um die allgemeine Angebotsanpreisung. Dass die Anwendung des § 8 HWG auf den vorliegenden Streitgegenstand nicht etwa unverhältnismäßig ist, liegt damit zugleich auf der Hand. § 73 Abs. 3 AMG ist ein (zulässiger) Sonderfall des Vertriebs nicht in Deutschland zugelassener Arzneimittel. Der aufgezeigte Gesetzeszweck des § 8 HWG wäre ernsthaft gefährdet, wenn durch das aktive Versenden der PRODUKTLISTE die Antragsgegnerin den Bedarf von Einzelimporten über sie erst schaffen würde. Der Ausnahmecharakter des § 73 Abs. 3 AMG würde durch so eine Praxis aufgegeben werden.

(c) Dem HeilmittelwerbeG und damit auch dem § 8 HWG liegt allerdings grundsätzlich ein weiter Werbebegriff zugrunde, ohne dass der Begriff der Werbung selbst im HWG definiert worden ist (vgl. hierzu insbesondere § 1 HWG).

Werbung im Sinne der Vorschriften des HWG sind alle informationsvermittelnden oder meinungsbildenden Aussagen, die darauf abzielen, die Aufmerksamkeit der Adressaten zu erwecken und deren Entschlüsse mit dem Ziel der Förderung des Absatzes von Waren im Sinne von § 1 HWG zu beeinflussen (Doepner, a. a. O., § 1 HWG Rz. 11 m. w. Nw.).

Dass das Zusenden der PRODUKTLISTE von Preislisten für Arzneimittel als sogar typische Form der Absatzwerbung unter den Werbebegriff des HWG fällt, ist nach den obigen Ausführungen selbstverständlich.

3.) Nach Auffassung des Senats ist § 8 HWG nicht, wie das Landgericht gemeint hat, im Hinblick auf gemeinschaftsrechtliche Vorgaben dergestalt "anzupassen", dass das Versenden der streitgegenständlichen PRODUKTLISTE an Apotheker nicht unter das Verbot des § 8 HWG fiele.

(a) Der Bestimmung des Art. 86 Abs. 2 Spiegelstrich 3 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel, zuletzt geändert durch die Richtlinien 2004/24/EG und 2004/27/EG (jeweils) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004, ist nicht zu entnehmen, dass die darin aufgeführten Verkaufskataloge und Preislisten keine Werbung darstellen.

Die Art. 86 ff. der Richtlinie 2001/83/EG betreffen allerdings die Werbung für Arzneimittel, sie gehören zum "Titel VIII Werbung" der Richtlinie.

Nach der vom Landgericht herangezogenen Bestimmung des Art. 86 Abs. 2 Spiegelstrich 3 der Richtlinie 2001/83/EG betrifft "dieser Titel" (d. h. der "Titel VIII Werbung") nicht die konkreten Angaben und Unterlagen, die beispielsweise Änderungen der Verpackung, Warnungen vor unerwünschten Nebenwirkungen im Rahmen der Arzneimittelüberwachung sowie Verkaufskataloge und Preislisten betreffen, sofern diese keine Angaben über das Arzneimittel enthalten.

Das bedeutet aber nicht, dass die Richtlinie 2001/83/EG geregelt hätte, das Versenden der genannten Verkaufskataloge und Preislisten sei keine Werbung für Arzneimittel. Was als Arzneimittelwerbung gelten soll, hat der Richtliniengeber mit der positiven Wendung: "Werbung für Arzneimittel im Sinne dieses Titels gelten" in Art. 86 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG aufgezählt, diese Wendung in Negativform findet sich in Abs. 2 der Vorschrift gerade nicht. Das kann nach Auffassung des Senats nur bedeuten, dass die Verwendung von Verkaufskatalogen und Preislisten, sofern diese keine Angaben über das Arzneimittel enthalten, von der Richtlinie 2001/83/EG nicht betroffen sind.

(b) Nichts anderes galt im Übrigen nach der entsprechenden Bestimmung des Art. 1 Abs. 4 Spiegelstrich 3 der Richtlinie 92/28/EWG des Rates vom 31. März 1992 über die Werbung für Humanarzneimittel. Diese Bestimmung lautete: "Diese Richtlinie betrifft nicht die konkreten Angaben und die Unterlagen, die beispielsweise ... Verkaufskataloge und Preislisten betreffen, sofern diese keine Angaben über das Arzneimittel enthalten". Damit war nicht etwa bestimmt, dass die Verwendung solcher Preislisten keine Arzneimittelwerbung ist, sondern dass dieser Bereich von der gemeinschaftlichen Regelung der Richtlinie ausdrücklich ausgenommen ist.

Den gegenteiligen Stimmen in der Literatur (vgl. zur entsprechenden Bestimmung in der Richtlinie 92/28/EWG des Rates vom 31. März 1992 über die Werbung für Humanarzneimittel: Doepner, a. a. O., § 1 HWG Rz. 23 und Gröning, Heilmittelwerberecht, § 1 HWG Rz. 26, jeweils m. w. Nw.) vermag der Senat nicht zu folgen.

(c) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass in Art. 1 Abs. 4 Spiegelstrich 3 der Richtlinie 92/28/EWG eine andere sprachliche Wendung ("Diese Richtlinie betrifft nicht ...") gebraucht wurde als nunmehr in Art. 86 Abs. 2 Spiegelstrich 3 der Richtlinie 2001/83/EG ("Dieser Titel - der Titel VIII Werbung - betrifft nicht ..."). Das erklärt sich zwanglos daraus, dass die Richtlinie 2001/83/EG mehrere frühere EG-Richtlinien einbezogen hat.

(d) Demgemäß steht der oben dargestellten Anwendung des nationalen Rechts des § 8 HWG keine gemeinschaftsrechtliche Bestimmung entgegen, die etwa eine richtlinienkonforme Auslegung in diese Richtung gebieten würde.

Es kann deswegen auch die in Rechtsprechung und Literatur kontrovers beurteilte Frage dahin stehen, in wieweit die Richtlinie 2001/83/EG im Falle ihrer Anwendbarkeit nur einen verbindlichen Mindeststandard (dann wäre auch insoweit die uneingeschränkte Anwendung von § 8 HWG gemeinschaftskonform) oder zugleich auch einen verbindlichen Höchststandard vorschreibt.

Der Senat sieht seine Auffassung auch dadurch bestätigt, dass der nationale Gesetzgeber das HWG zuletzt durch Art. 2 a des Gesetzes vom 10. Februar 2005 (BGBl. I S. 234) geändert hat (vgl. hierzu § 1 Abs. 5-6 HWG), ohne darin die Verwendung von "Verkaufskatalogen und Preislisten betreffen, sofern diese keine Angaben über das Arzneimittel enthalten" auszunehmen.

Dass die Vorschrift des § 8 HWG gegen Art. 28, 30 EGV verstieße, ist ohnehin nicht erkennbar.

4.) Der verfassungsrechtliche Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit steht der Anwendbarkeit von § 8 HWG nicht entgegen.

Wie das Landgericht im Ausgangspunkt zutreffend ausgeführt hat, soll das Verbot des § 8 HWG sicherstellen, dass die nach § 73 Abs. 3 AMG zulässige Einzeleinfuhr von Arzneimitteln ohne inländische Zulassung ihren oben aufgezeigten Ausnahmecharakter behält und nicht durch entsprechende Werbemaßnahmen so ausgeweitet wird, dass die arzneimittelrechtlichen Zulassungsvorschriften umgangen werden (OLG Frankfurt WRP 1995, 229). Wie oben ausgeführt, ist das Versenden der PRODUKTLISTE prinzipiell und tendenziell darauf angelegt, den Adressaten zu einem verstärkten Einzelbezug von Arzneimitteln zu bewegen.

Da gemeinschaftliche Vorgaben keine andere Betrachtung rechtfertigen, sind auch die vom Landgericht hieraus hergeleiteten verfassungsrechtlichen Bedenken gegenstandslos.

Das gilt selbstverständlich auch für diejenigen - ebenfalls streitgegenständlichen - Arzneimittel in der PRODUKTLISTE, die nicht aus Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, sondern aus einem anderen Nicht-EU-Drittland bzw. Nicht-EWR-Drittland im Wege des Einzelimports eingeführt werden sollen. Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben für bzw. gegen die Anwendbarkeit des § 8 HWG kommen insoweit ohnehin nicht in Betracht, die Überlegungen des Landgerichts zu einer verfassungsrechtlich bedenklichen Ungleichbehandlung greifen schon deswegen nicht durch.

5.) Auch die weiteren Voraussetzungen des Unterlassungsanspruchs sind gegeben.

(a) Wie oben ausgeführt, geht es streitgegenständlich nur noch um das Versenden der PRODUKTLISTE an Apotheker und zwar allein im Hinblick auf die Begründung, es sei eine (nach § 8 HWG) unzulässige Werbung für den Einzelimport nach § 73 Abs. 3 AMG. Durch die Beschränkung auf diese Begründung entfällt der bei der Übersendung der PRODUKTLISTE auch denkbare Vorwurf, die Liste diene nicht nur dem Einzelimport, sondern etwa auch der generellen, nach § 73 Abs. 3 AMG nicht zulässigen Bezugsmöglichkeit von in Deutschland nicht zugelassenen Arzneimitteln.

(b) Der Verstoß gegen § 8 HWG ist eine Zuwiderhandlung gegen eine gesetzliche Norm, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln (§ 4 Nr. 11 UWG).

(c) Der Unterlassungsantrag erfasst die konkrete Verletzungsform. Die Begehungsgefahr ist im Hinblick auf die erfolgte Versendung der PRODUKTLISTE gemäß Anlage ASt AS 1 gegeben.

IV.

Nach alledem war die Berufung der Antragstellerin in dem zuletzt verfolgten Umfang des Verfügungsantrages begründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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